Inzwischen sind die sozialen Medien und auch Twitter im Laufe der Jahre zum zentralen Ort einer weltgesellschaftlichen Wertediskussion geworden. Und insbesondere mit der US-Wahl zwischen Trump und Biden wurden sie auch zu einem zentralen Ort politischer Auseinandersetzungen.
Mit dem Kauf von Twitter durch Elon Musk erfährt diese Entwicklung einen weiteren Schub. Musk setzt noch stärker auf eine politisierend-aktivierende Dynamik und muss dies vielleicht schon aus kommerziellen Gründen tun. Da Twitter sich primär über Werbeeinnahmen und die Analyse von Teilnehmer*innendaten finanziert, bleibt die aktive Bindung der Nutzer*innen weiterhin das Ziel. Abstimmungen zu umstrittenen Themen fördern dies zusätzlich.
Ungeliebte Nachbarn
Für die eigene Timeline in Twitter bedeutet diese Entwicklung eine gewollte und forcierte Verbreitung von höchst umstrittenen Positionen und die gewollte emotionale Irritation um ihrer selbst willen. Hierdurch wird der Aufwand, die relevanten und gesicherten Informationen aus dem zunehmendem Rauschen der Timeline zu filtern, immer größer.
Letztlich wird auch der Kontext problematisch, in dem die eigenen Beiträge angezeigt werden. Schon die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass hier inhaltliche Verlagerungen und Akzentuierungen stattfinden, die weder transparent dargestellt werden noch legitimiert erscheinen. Ähnlich wie bei Facebook ist Twitter nicht nur ein Privatunternehmen, sondern eher ein Medium, das erst durch die Beteiligung der Weltgesellschaft seine Bedeutung entfaltet. Auf diese Weise hat es sich zu einer Art Gemeingut entwickelt. Die Diskussion, ob es sich lohnt, auf Twitter zu bleiben und um gefährdete Werte zu kämpfen, hat gerade erst begonnen. Sie wird aber mit ungleichen Mitteln geführt. Und vielleicht ist sie auch überflüssig, weil es Alternativen gibt, die es erlauben, demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien zur Grundlage des Handelns im Internet zu erheben.